Neuer Standard gegen bekannte Probleme

Im Rennrad-Bereich war in den vergangenen Jahren ein veritabler Siegeszug von Pressfit-Innenlagern zu beobachten. Bei dieser Konstruktionsweise werden die Lagerschalen und die Industrielager des Tretlagers direkt ins Tretlagergehäuse des Rahmens gepresst. Das spart Material und Gewicht beim Rahmen, weshalb Pressfit-Systeme bei Herstellern beliebt sind - das gilt umso mehr für Carbonrahmen, wo jedes Gramm doppelt zählt. Aber Pressfit-Innenlager haben auch ihre Tücken: Die Lagerschalen und der Rahmen müssen für ein leicht laufendes System sehr präzise gefertigt sein. Wenn sich die Toleranzen von Rahmen und Innenlager aufaddieren, wird eine präzise Montage zur Zeit raubenden Herausforderung - und es drohen im Fahrbetrieb schon bald Knarz- und Knack-Geräusche.

Drei Standards auf einen Blick (von links): Das neue T47-Mass, ein PF30-
und ein BSA-Tretlagergehäuse im Vergleich. (Bild: Engin Cycles)

Gewinde-Lösung mit vertrauter Abmessung
Genau diese Problematik stand am Anfang des neuen Tretlager-Standards T47, den eine Reihe kleinerer US-Hersteller wie Argonaut, Chris King, White Industries und Paragon Machine Works ausgetüftelt haben. Für maximale Effizienz und Steifigkeit setzt auch das neue Mass auf grosszügig dimensionierte Lager und Tretlager-Achsen. Um die Probleme mit Toleranzen und störenden Geräuschen zu vermeiden, musste aus Sicht der Initiatoren eine Lösung mit Gewinde her. Schliesslich sind BSA-Innenlager für ihre Zuverlässigkeit bekannt. Das Resultat ist ein offener Standard, nennt sich T47 und weist die Abmessung M47x1 auf (47 Millimeter Gewinde-Aussendurchmesser, 1 Millimeter Steigung). Damit passt ein T47-Innenlager im Prinzip in Rahmen für den verbreiteten PF30-Standard - bloss dass das Gewinde fehlt. Bei Rahmen aus Stahl, Aluminium oder Titan kann nachträglich ein Gewinde in den Rahmen geschnitten und dieser so für T47-Tretlager passend gemacht werden.

Als einer der ersten Zulieferer hat Chris King mit dem Thread Fit 30i
ein passendes Innenlager für den T47-Standard am Start.

Platz für fast jedes Kurbelsystem
Apropos passend: Dank der gross dimensionierten Lager kann ein T47-Innenlager Achsen mit 30 Millimeter oder mit 24 Millimetern Durchmesser aufnehmen. Chris King bringt das Thread Fit 30i-Innenlager in diesen beiden Ausführungen auf den Markt. Eine Variante für Campagnolos Ultra Torque-Kurbelgarnitur ist zudem bereits in Vorbereitung. Mit Enduro und White Industries werden zudem zwei weitere Hersteller von Innenlagern bald passende Produkte vorstellen. Damit bietet der neue Standard ein hohes Mass an Kompatibilität mit bestehenden Kurbeln. Noch aber steht in den Sternen, wie die grossen Hersteller von Rahmen wie von Komponenten auf den T47-Standard reagieren werden. Die 2016er-Modelle der grossen Hersteller stehen bereits in den Geschäften und die 2017er-Modelle sind fertig entwickelt. Daher dürfte sich kein grosser Hersteller vor dem Modelljahr 2018 an den neuen Standard wagen. Anders sieht dies bei kleinen Rahmenbauern aus - und dies umso mehr, wenn sie nicht auf Carbon, sondern auf Stahl, Titan oder Aluminium setzen.

Weil der neue Standard auf ein Tretlagergehäuse mit vertrauten Abmessungen vertraut,
halten sich die Anpassungen für die Rahmenbauer in einem überschaubaren Rahmen.

Man darf gespannt sein, ob das Konzept in der Praxis das hält, was die Theorie verspricht: Die Kombination von einfacher Montage, leichtem Lauf und einer langen Lebensdauer ohne störende Geräusche, und das bei Steifigkeit auf höchstem Niveau, geringem Gewicht und einer weitgehenden Wahlfreiheit bei den Kurbeln. Wenn der T47-Standard all dies bieten kann, hat er das Zeug dazu, zu einer auch kommerziell relevanten Alternative zu den zur Zeit dominierenden Pressfit-Lösungen zu werden. Und wer weiss: Wenn genügend grosse Hersteller den neuen T47-Standard verwenden, hat dieser das Zeug, PF30 vom Markt zu verdrängen.

www.chrisking.com
www.frameofmind.ch